Der Mann, der sich selbst Jason Schmitt nannte, saß auf einer Bank im Stadtpark und betrachtete einige Tabellen auf seinem Notebook. Er arbeitete meistens draußen, geschlossene Räume waren ihm zuwider. Seine Erscheinung war unauffällig und es schien geradezu so, als habe er die Anpassung an seine Umgebung in jahrelangem Bemühen immer weiter optimiert. Jeder Passant sah ihn dort sitzen, aber niemand beachtete ihn. Er war genau das, was jeder einen Durchschnittsmenschen genannt hätte: Mittelgroß, mittelschlank, moderat modisch gekleidet, braune Haare, glatt rasiert, entsprechend seinem mittleren Alter einige in das ansonsten erstaunlich uncharakteristische Gesicht eingearbeitete Falten. Jemand, den man leicht übersah und ganz sicher nicht im Gedächtnis behielt. Und genau das war seine Absicht. In letzter Zeit hatte er allerdings eine regelrechte Manie in Bezug auf seine gewünschte Unsichtbarkeit entwickelt. So rief er zum Beispiel unter anderem Namen in Hotels an, in denen er wohnte, beschrieb sich selbst und bat um Auskunft, ob eine solche Person zu Gast sei. Nur ein einziges Mal erkannte ihn scheinbar ein aufmerksamer Portier - und stürzte ihn damit in eine Krise. Er dachte sogar an eine sein Aussehen verändernde Gesichtsoperation, bis er sich davon überzeugte, dass der Mitarbeiter ihn mit jemand anderem verwechselt hatte.
Jason Schmitt war Spezialist für besondere Informationsbeschaffung oder - nach seinem eigenen Verständnis - ein Sucher. Er bereitete Daten auf und stellte sie allen zur Verfügung, die sich dafür interessierten und seinen Preis bezahlen konnten. Natürlich handelte es sich dabei um brisantes Material. Vor kurzem hatte er zum Beispiel eine von den Medien so genannte Steuersünder-CD an Behörden verkauft. Für ihn stellte sie allerdings nur eine Sammlung mit einigen hundert Namen, Kontonummern und Transaktionen dar, mit der er mehr als zwei Millionen Euro verdient hatte. Dabei war das Geld für ihn eine Trophäe, die Anerkennung, die er brauchte und die ihm nie öffentlich zuteil werden würde. Deshalb trieb er seine Forderungen immer weiter in die Höhe.
Weit mehr aber zählte das Abenteuer für ihn, in das Betriebssystem der Gesellschaft einzutauchen. Er wollte es verstehen und er wollte es manipulieren. Dazu wertete er frei verfügbare Daten aus und hackte sich in geschützte Bereiche ein. Die Idee dazu hatte Jason Schmitt, als er in seiner Jugend die Foundation-Romane von Isaac Asimov las. Von der dort erwähnten Psychohistorik war er nachhaltig beeindruckt. Der Gedanke, die Entwicklung der Menschheit zumindest in Ansätzen vorhersagen zu können, wenn es nur gelingt, ausreichend von ihr produzierte Daten zu interpretieren, faszinierte ihn und ließ ihn nie wieder los.
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